Bei Ausgrabungen unter einem Felsüberhang, einem sogenannten Abri im südafrikanischen Sibudu entdeckte ein internationales Forschungsteam über 77.000 Jahre alte Schichtungen aus Pflanzen., die offensichtlich von Menschen angelegt wurden. Neben dem hohen Alter und der Besiedelungsdauer ist auch die Auswahl der verwendeten Pflanzen bemerkenswert, da sie auf medizinische Kenntnisse schließen lässt.
Wie das Forscherteam unter Lyn Wadley von der Universität Witwatersrand in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“ berichtet, ist die Entdeckung von Sibudu 55.000 Jahre älter als bisher bekannte Nachweise von anthropogenen Pflanzenbettungen und gestatten damit wichtige Einblicke in Verhaltens-praktiken des frühen modernen Menschen in Südafrika.
Mindestens 15 Schichten dieses Fundplatzes enthalten Hinweise auf derartige Pflanzenbettungen und datieren in den Zeitraum zwischen 77.000 bis 38.000 Jahre vor heute. Sie bestehen aus wenigen Zentimetern dicken, kompakten Lagen von Stängeln and Blättern von Riedgräsern und Binsen, die sich räumlich über ein bis drei Quadratmeter in der ausgegrabenen Fläche erstrecken, so die Ausgräber.
Die ältesten Überreste der Pflanzenbettungen dieses Fundplatzes sind besonders gut erhalten. Sie bestehen aus einer Schicht fossilisierter Stängel und Blätter von Riedgräsern mit einer abschließenden papierdünnen Schicht aus Blättern der Cryptocarya woodi, auch Kap Quitte genannt, ein südafrikanisches Gewächs aus der Familie der Lorbeergewächse. Die Blätter dieser Pflanze enthalten insektizide Chemikalien und sind damit geeignet, Mücken fern zu halten. „Die spezifische Auswahl dieser Blätter für die Konstruktion der Pflanzenlagen zeigt eine genaue Kenntnis der Bewohner über ihre Umgebung an wie auch der medizinischen Wirksamkeit von Pflanzen. Pflanzliche Heilkunde hat den Menschen gesundheitliche Vorteile verschafft, und der Gebrauch von insektiziden Pflanzen eröffnet uns eine ganze neue Einsicht in das Verhalten der frühen Menschen“ so Lyn Wadley.
Die Bewohner haben die Pflanzenstängel und -blätter direkt unterhalb des Felsschutzdaches entlang eines Flusses gesammelt, und dann auf die Oberfläche des Bodens aufgelegt. Diese Aufbettungen wurden nicht nur als Schlaffläche genutzt, sondern stellten bequeme Lebens- und Arbeitsoberflächen dar. Mikroskopische Analysen der Pflanzenbettungen durch Christopher Miller von Universität Tübingen deuten darauf hin, dass diese während des Gebrauchs der Höhle mehrfach ausgebessert wurden. Die mikroskopischen Untersuchungen haben außerdem ergeben, dass die Bewohner der Höhle die Pflanzenbetten nach Gebrauch regelmäßig verbrannt haben. „Sie haben die ausgedienten Aufbettungen absichtlich in Brand gesetzt, vermutlich um Schädlinge zu beseitigen. Dies hat den Fundplatz für spätere Nutzungen vorbereitet und stellt eine neuartige Verwendung von Feuer zur Pflege von Siedlungsplätzen dar“, so Miller.
Ab 58.000 Jahren vor heute nimmt die Anzahl der Feuerstellen und Aschegruben deutlich zu. Die Archäologen nehmen an, dass dies aus einer verstärkten Besiedlung der Fundstelle resultiert. Die Forscher sehehn hier einen Zusammenhang mit einer Veränderung in der Bevölkerungsdynamik in Südafrika zu diesem Zeitpunkt. Um etwa 50.000 Jahren vor heute breitet sich der moderne Mensch bis nach Eurasien aus, wo er archaische Formen, wie den Neandertaler, verdrängt.
An der Fundstelle Sibudu wurden außerdem durchlöcherte Muschelschalen, die vermutlich als Schmuck verwendet wurden, und zugespitzte Knochenspitzen, die wahrscheinlich für die Jagd genutzt wurden, gefunden. Es gibt auch Hinweise auf die frühe Entstehung von Pfeil und Bogen, auf den Gebrauch von Schlingen und Fallen zur Jagd und auf die Produktion von Klebstoff für geschäftete Steinwerkzeuge.
Zukünftige Grabungen in Sibudu sind fraglich, da geoplante Bauprojekte den vorgeschichtlichen Fundplatz schwer gefährden. Wadley und ihre Kollegen hoffen, dass die hier aufgeführten wichtigen Entdeckungen den hohen Wert von Sibudu als unersetzliches Kulturerbe für Südafrika und den Rest der Welt unterstreichen.